Eine
seltsame Begegnung
Eigentlich
hatte ich diesem grauen Gefieder nie wirklich Aufmerksamkeit geschenkt, aber
dieser kleine Geselle drängelte
förmlich danach.
Er
saß auf dem gemauerten Pfosten einer Gartentoreinfahrt und schimpfte lautstark
vor sich hin. Je näher ich kam, umso lauter wurde er. Wir waren ganz allein,
der kleine Vogel und ich und deshalb fragte ich ihn: „Hey kleiner Spatz, was
schimpfst du so? Was ist denn passiert, dass du so aufgeregt bist?“
Mir
war klar, dass er mich nicht verstehen konnte und kam mir dabei auch ziemlich
albern vor. Dennoch, ich stand da und wartete auf eine Antwort, doch der
kleine, vorlaute Spatz blickte nur skeptisch auf mich herab. Als ich schon
weiter gehen wollte, hörte ich plötzlich ein zierliches Stimmchen. „Ach das ist
eine lange Geschichte, aber wenn du sie wirklich hören willst und etwas Zeit
hast, will ich sie dir gern erzählen“, piepste er traurig.
Ich
schluckte unwillkürlich, hatte ich da nun doch richtig gehört? Unglaublich
starrte ich den kleinen Vogel an. Hatte ich jetzt Halluzinationen, oder konnte
ich tatsächlich mit einem Mal die Sprache der Tiere verstehen?
„Du
kannst mich begleiten, ich bin Luise und muss da entlang“, hörte ich mich
sagen, und zeigte ihm mit der Hand die Richtung.
„Ist
gut“, tschilpte mein neuer kleiner Freund, und plusterte sein Gefieder.
Langsam
setzte ich mich in Bewegung und der kleine Spatz flog neben mir her. „Ich heiße
übrigens Albert!“, ließ er mich wissen.
Nach
einigen Schritten fing der kleine Spatz zu erzählen an.
„Es
war vor ungefähr einem halben Jahr, da lernte ich den Spatz, Friedolin, kennen.
Wir verstanden uns sofort und wurden schnell Freunde. Jeden Tag trafen wir uns
und flogen gemeinsam in die Vororte nach Futtersuche. Mit ihm konnte ich über
alles reden, er war immer lustig und niemals schlecht gelaunt. Jeden Abend, wenn wir uns trennten, versprachen wir
einander, dass wir uns immer da finden, wo wir uns kennen gelernt hatten. Im
Park an der Bank gleich neben der großen Kastanie am Spielplatz. Seit etwa drei
Wochen flog ich nun schon vergebens dort
hin, jedoch Friedolin war nicht da. Tag für Tag. Keine Spur von ihm. Ich machte
mir allmählich Sorgen.“
„Aber
vielleicht war ihm ja was passiert?“, unterbrach ich den Spatz.
„Ja,
das dachte ich anfangs auch, und ich war schon sehr traurig, dass ich keinen
Freund mehr hatte. Die anderen Spatzen wollen nie etwas mit mir zu tun haben.
Ich wäre zu klein, sagen sie immer, auch nicht schnell genug. Fast hatte ich mich damit abgefunden, dass
Friedolin nicht mehr kam, da wurde mir plötzlich alles klar. Heute. Gerade als
du des Weges kamst.“
„Wieso,
was ist denn passiert?“, ich begann, mich mehr für Alberts Geschichte zu
interessieren. Ich konnte es immer noch nicht so recht fassen, dass ich mit
diesem Vogel sprechen konnte, als wär er ein Mensch.
„Ja,
nun unterbrich mich doch nicht schon wieder“, tschilpte Albert vorwurfsvoll,
„ich erzähle ja schon. Also dort hinten, hinter dem Tor, hörte ich eine
bekannte Stimme. Erst dachte ich, das ist doch nicht möglich und mein Gehör
würde mir einen Streich spielen. Meine Neugier trieb mich näher heran und ich
setzte mich auf den Torpfosten. Du wirst es nicht glauben, was ich da zu sehen
bekam! Da saß Friedolin mit einem Spatzenmädchen und pickte an einer
weggeworfenen Semmel. Zwischendurch turtelten sie wie Tauben miteinander.
Natürlich stellte ich ihn sofort zur Rede. Friedolin meinte nur, dass er
schließlich nicht ewig mit mir umher fliegen könnte und nun die große Liebe seines Lebens gefunden hätte. Ich war so enttäuscht von diesem Freund, weil
er mich einfach im Stich gelassen hatte, dass ich sogleich drauflos schimpfte.
Da sind beide einfach weg geflogen. Wie lange hatte ich Friedolin vermisst und
mir solche Sorgen gemacht! Und dann so etwas. Er lässt mich wegen einem Mädchen
im Stich. Unsere Freundschaft hatte ihm demnach gar nichts bedeutet.“
„Ach
mein kleiner Spatz, dass ist wirklich nicht nett von Friedolin. Sei nicht so
traurig. Aber da kannst du nichts dagegen tun. Wo die Liebe eben hinfällt ...
du findest bestimmt bald einen neuen Freund.“
Er
hob sein Köpfchen, sah mich an, tschilpte noch zwei Mal, und als ich mich
umsah, war er verschwunden. Einen Augenblick
noch dachte ich über Albert nach und überlegte, ob ich das alles
geträumt hatte. Ich hätte mir nie
vorstellen können, dass ich mich mal mit einem Spatzen unterhalten würde und
schüttelte insgeheim den Kopf darüber. Gedankenverloren setzte
ich meinen Weg fort.
©
Heike
Krause 2011
Liebe Heike, das hat mir sehr gut gefallen :-)
AntwortenLöschenLG Sabine
Ach wie schön!!! Das hast du geschrieben! Meine ganz große Bewunderung!
AntwortenLöschenGruß Marion
Schön... Tierliebe mit Herz zu "Papier!" gebracht...
AntwortenLöschenwirklich nett!
Liebe Grüße aus dem Waldviertel