Weihnachtsmann gesucht
Heute fiel es dem Weihnachtsmann
besonders schwer, aufzustehen. Sein Rheuma plagte ihn und er hatte schlecht
geschlafen. Seit einigen Tagen ging ihm eine Frage nicht aus dem Kopf. „Bin ich
zu alt für diesen Job? Ist es an der Zeit, mich nach einem Nachfolger
umzusehen?“ Auch seine Frau merkte, dass er mit seinen Gedanken oft abwesend
war, denn meist musste sie ihn mehrmals ansprechen, bevor er reagierte und sie
eine Antwort bekam.
Nachdem er sich gewaschen hatte und
dabei war, seinen Bart zu kämmen, der ihm bis auf den Bauch reichte, fasste er
einen Entschluss. Er zog sich an, schlüpfte in seine rotweißkarierten
Pantoffeln, nahm den Mantel über den Arm und ging hinunter in die Küche. Frau
Weihnachtsmann wartete bereits mit dem Frühstück auf ihn.
„Guten Morgen meine Liebe!“, sagte
er mit betrübter Stimme.
Seine Frau kannte ihn natürlich
sehr gut, nach so vielen Jahren, und so merkte sie auch sofort, wann ihn etwas
bedrückte.
„Mein Lieber, setz dich doch erst
mal, trinke einen Kaffee und erzähle mir, was dich seit Tagen beschäftig“
munterte sie ihn freundlich auf.
„Dir kann ich nichts vormachen.“
Der Weihnachtsmann setzte seine
Tasse an den Mund und nahm einen großen Schluck. Nachdem er sie wieder
abgestellt hatte, begann er sein Herz auszuschütten.
„Liebes, mir fällt es zunehmend
schwerer, meine Arbeit zu erledigen, darum habe ich beschlossen, dass es Zeit
wird, einen Nachfolger zu bestimmen. Dieser Entschluss ist mir nicht leicht
gefallen. Bis zum nächsten Weihnachtsfest sind es noch zehn Monate, da sollte
es mir doch gelingen, einen neuen Weihnachtsmann zu finden und diesen
einzuarbeiten.“
Frau Weihnachtsmann hatte sich
schon so etwas gedacht. Bereits seit einer Weile beobachtete sie, wie langsam
seine Schritte geworden waren, wenn er das Haus verließ.
„Weißt du, mein Lieber, das ist
eine gute Entscheidung. Viele, viele
Jahre warst du um die Welt gefahren mit deinem Schlitten. Warst immer pünktlich
und hast Groß und Klein Freude gebracht. Die Zeit dazwischen warst du
unermüdlich mit den Vorbereitungen für das nächste Weihnachtsfest beschäftigt,
von morgens bis abends. Du hast dir deinen Ruhestand wahrlich verdient.“
Da nahm der Weihnachtsmann die Hand
seiner Frau und drückte diese mit den Worten: „Du hast Recht.“ Seine Stimme
klang traurig und in seinen Augen glänzten Tränen.
„Wie soll ich aber einen Nachfolger
finden? Er muss ehrlich sein und zuverlässig und seine Arbeit lieben. Hier bei
uns im Weihnachtsdorf kenne ich alle jungen Männer, da käme niemand infrage“,
seufzte der Weihnachtsmann.
Als er nach dem Frühstück die
Tageszeitung las, kam ihm eine Idee. Sogleich machte er sich auf in sein Büro und setzte sich an den Computer.
Einer der Fortschritte, der ihm bei seiner Arbeit sehr geholfen hatte.
Schnell waren verschiedene
Zeitungen gefunden und er verfasste folgende Mail für ein Stellenangebot: „Nachfolger für den Weihnachtsmann gesucht.
Sie sollten nicht jünger als 35 Jahre, männlich und mindestens 1,70 m sein.
Bitte geben Sie an, warum Sie Weihnachtsmann werden wollen. Schicken Sie Ihre
Bewerbung an: Der Weihnachtsmann, Weihnachtsdorf, Nordpol.“
Es waren zehn Tage vergangen, als
die ersten Unterlagen eintrafen. Anfangs zögerte er noch, sie zu öffnen, doch
dann erinnerte ihn gerade in diesem Moment ein Zwicken im Rücken daran, dass es
sein musste. Also öffnete er einen Umschlag nach dem anderen und las die
Bewerbungen sorgfältig.
Sechs von ihnen ließen den
Weihnachtsmann wütend schnauben. „Was denken die Leute sich eigentlich? Glauben
die wirklich, dass ich nur einen Tag im Jahr arbeite. So eine Arbeit würde
ihnen gefallen, haben sie geschrieben“, schimpfte er vor sich hin. Die anderen
waren es wert, sich genauer anzusehen. Zwei Bewerber waren mit 22 Jahren
eindeutig zu jung. Der Dritte war mit über 40 leider schon zu alt und der Letzte
hatte eine Tierhaarallergie. Wie sollte der sich denn um die Rentiere kümmern.
Also kamen auch diese nicht in Frage.
Als der Weihnachtsmann am Abend
nach Hause kam, erzählte er seiner Frau von dem Reinfall mit der
Stellenanzeige.
„Ach mein Lieber, warte doch erst
mal ab und habe noch ein bisschen Geduld. Es wird sich bestimmt noch jemand
finden, der geeignet dafür ist“, und strich ihm dabei über die behaarte Wange..
Fast täglich bekam der
Weihnachtsmann Post von Bewerbern, aber an jedem hatte er etwas auszusetzen.
Entweder passte die Größe nicht, denn der zukünftige Weihnachtsmann musste ja
auch von Statur passend sein, oder die Ausdrucksweise war nicht entsprechend.
So vergingen Woche um Woche und
Monat für Monat.
Es war Mitte September, als es
eines Tage an der Tür klopfte.
„Herein!“ rief der Weihnachtsmann.
Die Tür ging auf und herein kam
ein Mann, etwa Mitte dreißig, mit einem
schwarzen großen Lederkoffer in der Hand.
„Guten Tag, mein Name ist Nevio
Navid. Ich bin der Vertreter für Weihnachtsmäntel, Stiefel und Zubehör, wie zum
Beispiel, Bärte.“
Der Weihnachtsmann lachte.
He, junger Mann, ich brauche keinen
unechten Bart, so wie die Kaufhausgestalten, mein Gesichtshaar ist echt, echter
geht’s gar nicht“, dabei umfasste er diesen mit der Hand und zog einmal kräftig
daran.
„Vielleicht darf ich Ihnen dann
einen Mantel zeigen?“, fragte Herr Navid verlegen.
„Gern, einen Mantel sehe ich mir
an, obwohl ich eigentlich keinen benötige, weil ich in Rente gehen will und
einen Nachfolger suche.“
Der Weihnachtsmann bot dem
Vertreter eine Tasse heißen Apfeltee an, dessen Duft sich im Raum breit machte.
Dabei erzählte er ihm die Geschichte um die Bewerbungen.
„Aber jetzt habe ich Sie genug
gelangweilt. Zeigen Sie mir bitte, weshalb Sie sich den langen Weg zu mir gemacht
haben“, bat der Weihnachtsmann, nachdem sie ihre Tassen geleert hatten.
„Das will ich gern tun“, sagte Herr
Navid, öffnete den Koffer und nahm einen
Kleidersack heraus. Er zog den Reißverschluss auf und zum Vorschein kam ein
langer dunkelroter Mantel. Dieser hatte am unteren Abschluss, an den
Ärmeln und an der Kapuze einen zehn Zentimeter breiten weißen Fellbesatz. Dazu
gehört ein dunkelfarbiger Gürtel sowie ein Paar schwarze Stiefel. Der Mantel
war aus samtweichem Material und innen mit dicken kariertem Baumwollstoff
gefüttert. Schließlich wohnt der Weihnachtsmann am Nordpol und die Rentiere
haben immer eine ordentliche Geschwindigkeit drauf, wenn sie unterwegs waren.
Da durfte er natürlich nicht frieren.
Der Weihnachtsmann zog das schöne
Stück auch gleich an, denn dieser gefiel ihm gut und sein alter war ohnehin
schon sehr verschlissen.
„Leider habe ich keinen Spiegel,
der groß genug ist, dass ich mich damit sehen kann. Bitte Herr Navid, würden
Sie den Mantel einmal für mich anziehen, damit ich mir ein Bild machen kann?“
„Natürlich, das mache ich gern.“
Herr Navid half dem Weihnachtsmann aus dem Mantel und zog in selber an.
Was dann geschah, gerade, als er den Gürtel geschlossen hatte
und die Kapuze über seinen Kopf zog, war sehr seltsam. Es zischte und funkelte.
Ähnlich wie an Sylvester. Der Vertreter begann sich zu verändern. Zuerst wurde
er etwas dicker, vor allem um den Bauch herum, dann wuchs ihm ein weißer Bart,
halb so lang, wie der des Weihnachtsmannes. Seine Haare wechselten die Farbe
und passten sich der des Bartes an.
Als das Zimmerfeuerwerk vorüber war
standen die beiden Männer sprachlos und starrten sich verwundert von oben bis
unten an. Die Ähnlichkeit war schon sehr groß.
„Sie sind genau der Richtige als
mein Nachfolger“, sagte der Weihnachtsmann, als er seine Stimme wieder fand.
Das schallende Lachen der beiden
Weihnachtsmänner war im ganzen Dorf zu hören.
(c) Heike Krause 2009 Erschienen im Band 2 "Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland" bei Papierfresserchens Verlag
Liebe Grüße Heike
Joyeux Noël !
AntwortenLöschenBises
Anna
Hallo liebe Heike
AntwortenLöschenEine wahrhaftig amüsante Geschichte, herzlichen Dank!!
Hast du mein Mail erhalten?
Vielen, vielen Herzlichen Dank für deine Ueberraschung, das ist so lieb von dir!!
Ich wünsche dir auch eine wunderschöne Weihnachtszeit!
Ganz liebe Grüsse maggy
Liebe Heike,
AntwortenLöschendie Geschichte ist super spannend und sehr witzig!
LG Sonja